Interview

Gemeinsam groß in die Zukunft denken

Interview mit Prof. Dr. Ulrich Reinhardt

Prof. Dr. Ulrich Reinhardt, Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg, hat in einem Gespräch eine Einschätzung zu der Initiative und deren Umsetzungs­erfordernisse sowie zu Aspekten der Zielsetzung gegeben. Prof. Reinhardt hat eine Professur für empirische Zukunftsforschung an der FH Westküste in Heide inne und ist Mitglied im Zukunftsrat des Landes Schleswig-Holstein.
1. Welches sind Ihrer Sicht nach die großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die uns in den kommenden Jahrzehnten bevorstehen?
Global gesehen der Klimawandel, der Anstieg der Meeresspiegel und die damit verbundenen Kosten. Bezogen auf Deutschland, die Spaltung der Gesellschaft – d. h., dass immer weniger Menschen viel Eigentum besitzen und ein anderer Teil der Bevölkerung droht nach unten abzurutschen. Bezogen auf Deutschland auch die Demografische Entwicklung und damit die Kinderlosigkeit und die zunehmend älter werdende Gesellschaft.
2. Welche Erwartungen haben die Menschen an die Zukunft? Was wird den Menschen in Zukunft wichtig sein?
Sicherheit ist ein zentrales Bedürfnis, konkret sind dies Arbeitsplatz, Rente und die Ausbildung der Kinder. Zudem besteht ein Wechsel von einer Steigerung des Lebensstandards hin zu einer Steigerung der Lebensqualität – die Menschen wollen nicht nur wissen, wovon Sie leben, sondern wofür sie leben. 3. Ein Leitsatz Ihrer Stiftung lautet „Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen ist entscheidend“.
3. Welche Bedeutung hat dieser Satz für Sie und welchen Stellenwert sollte er im wirtschaftspolitischen Diskurs einnehmen?
Die Wirtschaft sollte nicht nur die Frage beantworten, wie wir morgen leben (was mag technisch alles möglich sein). Entscheidend ist die Frage, wie wollen wir in Zukunft leben – trotz vieler technischer Möglichkeiten, sollte der Mensch auch künftig im Mittelpunkt stehen.
4. Wie lassen sich Trends von Zukunftsentwicklungen unterscheiden? Und wie sollten Regionen auf neue Dynamiken reagieren?
Die Trendforschung zeichnet sich durch den Blick in die nächsten Monate, vielleicht ein bis zwei Jahre, aus. Für Zukunftswissenschaftler steht die langfristige Perspektive im Fokus – ein Rhythmus von drei bis fünf, sogar hin zu zehn Jahren. Empfehlung, nicht jeden Trend mitzumachen, sondern sich die Frage zu stellen: Was wird sich langfristig durchsetzen und was ist relevant für meine Region?
5. Werden wir künftig weiterhin ein Primat der Nationalstaaten erleben oder eher ein Europa der Regionen? Welchen Stellenwert werden künftig bundeslandübergreifende Kooperationen einnehmen?
Langfristig gibt es keine Alternative zu Europa – auch wenn alternativlos ein sehr hartes Wort ist. Wenn wir uns in Zukunft mit den USA, Asien, Afrika und Südamerika vergleichen wollen, muss Europa zusammenwachsen und an einem Strang ziehen. Zukünftig könnte ich mir vorstellen, dass wir in 20 Jahren über den EU/US-Merger reden, in dem sich beide zusammenschließen. Auch auf Deutschland bezogen sollten wir größer denken, als Norddeutsche in Richtung Skandinavien.
6. Die Norddeutschen IHKs übernehmen mit der „Initiative Zukunft Norddeutschland“ Verantwortung für die Zukunft. Welche Empfehlungen möchten Sie den Beteiligten mit auf den Weg geben möchten?
Gedanken sollten gefasst werden zu der Frage: Wo möchte ich hin. Anstelle eines Schnellschusses ist es für den langfristigen Erfolg wichtig einmal grundsätzlich an die Initiative ranzugehen.